VW-024-02

LA Villa 2049

Kim Wermes & Jasper Kelm, 2018

Das Konzept

Das Zeitalter der virtuellen Welt lässt sich auf ca. 2500 n.Chr. datieren. Die Zivilisation ist ausgestorben infolge diverser Klimakatastrophen, die von der Menschheit zu lange ignoriert oder gar als ausgedacht abgetan wurden. Die großen Metropolen der Welt sind verschwunden und einer alles verschlingenden Wüstenlandschaft gewichen. Alle Errungenschaften aus 2500 Jahren Menschheitsgeschichte scheinen verloren gegangen. Es gibt keine Anzeichen von menschlichem Leben mehr. Der Planet wirkt unerforscht und unbewohnbar. Heiße Sandstürme erschweren die Sicht und machen das Atmen so gut wie unmöglich. Es herschen Temperaturen von weit über 60°C. Doch inmitten dieser schier end-und hoffnungslosen Wüstenlandschaft ragt plötzlich ein Gebäude aus einem Felsen hervor. Es scheint alles zu beinhalten was sich ein Mensch wünschen könnte. Handelt es sich hierbei jedoch nur um eine Luftspiegelung? Oder hat tatsächlich ein Gebäude die Apokalypse nahezu unbeschadet überstanden?

VW-022-02VW-015-02

Die Vegetation

Die Vegetation der virtuellen Welt ist angelehnt an Science-Fiction Filme wie Blade Runner 2049, Planet of the Apes und Mad Max: Fury Road. Filme, die ebenfalls eine post-apokalyptische, dystopische Zukunft darstellen. Es dominieren starke Rot-und Orangetöne, welche die unerträgliche Hitze und die Unbewohnbarkeit des Planeten wiederspiegeln sollen. Die Sichtweite ist durch Sandstürme und dichten Nebel stark eingeschränkt, was ein Überleben zusätzlich erschwert. Anzeichen von Zivilisation sind nicht mehr vorhanden, es dominieren Berge und Täler.

VW-021-02

Die Villa

Das Haus stellt als einziges Anzeichen von Leben eine Ausnahme in diesem Gesamtszenario dar. Sowohl die Architektur als auch das Interior des Hauses spielen mit den Grenzen von Fiktion und Wirklichkeit und sollen den Betrachter im Unklaren lassen, ob es sich bei diesem Haus um eine Fata Morgana oder ein tatsächliches Überbleibsel der modernen Zivilisation handelt: Bei dem Haus handelt es sich um eine Villa, die sich architektonisch zwischen den 70er Jahren in Hollywood Hills und Brutalismus-Architektur bewegt.

Das Fundament der Villa ist aus Zement gegossen, was zusammen mit der kastenartigen Form Assoziationen an einen Bunker weckt, ein Symbol für Sicherheit in Zeiten von Krieg und Zerstörung, jedoch ebenfalls ein Symbol für einen allerletzten Ausweg und Zufluchtsort. Konträr dazu steht eine Fensterfront, die sich über die komplette Vorderseite der Villa erstreckt: Ein Zeichen von Luxus, der nur im Falle einer beeindruckenden Aussicht Sinn ergibt.

VW-007-02

Die Treppe, die zur Villa führt, ist ein Widerspruch in sich und spiegelt dadurch ebenfalls die traumartige Qualität des Gebäudes wieder. Sie ist unrealistisch lang und sorgt für einen beschwerlichen Aufstieg ohne ein Treppengeländer zur Absicherung. Kurz vor Erreichen der Villa, vor der scheinbar sicheren Rettung, nimmt die Treppe eine unrealistische Wendung, die für einen Menschen normalerweise nicht zu bewältigen ist. Die Villa ist mit normalen Mitteln de facto nicht zu erreichen.

Auch an der Haustür wird die surrealistische Natur des Gebäudes verdeutlicht. Die Türklinke ist entgegen der gesellschaftlichen Norm sehr hoch und mittig positioniert und sorgt damit für ein Gefühl von Unbehagen, bevor man das Gebäude überhaupt betreten hat. Auch hier drängt sich der Gedanke auf, man befinde sich in einem Traum. Sobald man das Gebäude jedoch betritt, wird dieser Gedanke vorerst widerlegt: Bei Tag wirkt die Villa wie ein herkömmliches Gebäude, das dem Bewohner alles zu bietet scheint für ein Leben in Luxus und Sicherheit. Von teurem Alkohol, sanitären Anlagen bis hin zu einem Swimmingpool. Hier gibt keine Anzeichen für ein post-apokalyptisches Leben: Keine penibel rationanierten Essenvorräte, keine Konserven mit langer Haltbarkeit.

VW-004-02

VW-023-02

Alle Gegenstände innerhalb des Hauses spiegeln einen verschwenderischen und dekadenten Lifestyle wieder. Von 8000 $ teuren Rotweinflaschen der Marke Screaming Eagle bis hin zu teuren Designermöbeln von Designpionieren wie Le Corbusier und Angiolo Guiseppe Fronzoni.

VW-005-02

Eine besondere Rolle in dem Haus spielen die Gemälde, die sich an den Wänden befinden und die eine tiefere, metaphorische Bedeutung für das Leben im Haus offenbaren: Dort befinden sich extrem teure Werke von berühmten Künstlern, die durch ein zerstörerisches Leben und kontroverse Arbeiten auf sich Aufmerksam gemacht haben. An der Treppe und im Obergeschoss befinden sich Arbeiten des Künstlers Andres Serrano, von denen viele mit Körperflüssigkeiten wie Blut und Sperma erschaffen wurden. Diese können als Metapher für Sex und Gewalt gesehen werden. Desweiteren befinden sich fotografische Werke Serranos im Schlafzimmer bei denen er Mitglieder des Ku-Klux-Klans abgelichtet hat. Diese sind ebenfalls ein Symbol für Hass und Gewalt. Im Eingangsbereich befindet sich das Gemälde „Untitled“ des New Yorker Künstlers Jean-Michel Basquiat. Dies ist mit 110 Millionen Dollar das teuerste Werk eines US-Künstlers jemals und ist ebenfalls Ausdruck des Reichtums und der Dekandenz, die in diesem Haus herrscht. Jean-Michel Basquiat starb früh an einer Überdosis Heroin und verdeutlicht somit auch den Rausch und den Tod.

VW-001-02

Desweiteren finden sich zwei übergroße Zeichnungen des amerikanischen Künstlers Robert Longo im Wohnzimmerbereich des Hauses. Diese Gemälde sind auch im Apartment von Patrick Bateman zu finden, einer fiktiven Figur aus dem Roman „American Psycho“ von Bret Easton Ellis. Die Figur des Patrick Bateman ist ein emotional kalter Psychopath, dessen Leben von Materialismus und Statussymbolen geprägt ist. Er ist außerdem ein Mörder, Vergewaltiger und Kannibale. Die Gemälde sollen unterschwellig eine Verbindung zu Batemans Persona herstellen und dadurch die kalte, materialistische und menschenfeindliche Atmosphäre der Villa verstärken. Eben diese Atmosphäre beschreibt auch der italienische Regisseur Pier Paulo Passolini, dessen Gemälde sich in der Küche befindet, in seinem Skandalfilm Die 120 Tages des Sodom, basierend auf dem gleichnamigen Buch von Marquis de Sade. Passolini beschreibt in seinem Film eine Gruppe von Faschisten, die in Anbetracht des untergehenden Regimes auf einem abgelegenen Anwesen ihren moralisch und sexuell verkommenden Lebensstil ein letztes Mal an einer Gruppe junger Männer und Frauen ausleben.

VW-017-02

Dabei leben sie ihre Triebe und Machtphantasien durch Vergewaltigungen, Folter und Mord aus. Die Villa befindet sich auch sozusagen in einem „untergegangenen Regime“, einer völlig zerstörten Welt, und das Gemälde Passolinis suggeriert, das ähnliche Orgien auch hier hätten stattfinden können oder sogar stattfanden. Die Gemälde erzählen  passend zu der unpersönlichen Einrichtung  ihre eigene Geschichte von Rausch, Lust, Gier, Exzess und Entmenschlichung. Und diese Stimmung wird auch durch die nächtliche Beleuchtung verstärkt: Es dominieren stark leuchtende Blau, Rot und Grüntöne, die Assoziationen zu Bordellen und der Darstellung der Hölle wecken.

VW-018-02

Sie sind von Filmen wie Suspiria, Inferno und Only God Forgives inspiriert, in denen es thematisch ebenfalls um menschliche Abgründe, Alpträume und Übernatürliches geht.

Ein weiteres Zeichen für die Gegensätze Tag Nacht oder Realität Traum ist ein Handtuchhalter an der Außenwand der Villa, der erst bei richtiger Beleuchtung das Wort DIE (engl. für Stirb) offenbart. Dies kann ebenfalls als eine unterschwellige Warnung betrachtet werden.

VW-006-02

Nichts in dieser Villa scheint, wie es ist, und hinter dem luxuriösen Äußeren verbirgt sich eine Metaebene, die auf ein entmenschlichtes Leben schließen lässt. Sie scheint dem Menschen zu bieten, was er in dieser Katastrophe braucht, jedoch ist alles auf seine Zerstörung ausgelegt.

Technische Umsetzung

Die Arbeit entstand im Sommersemester 2018 im Fach Virtuelle Welten des Masterstudienganges Audiovisual Arts Computing. Kim Wermes und Jasper Kelm arbeiteten mit Cinema4D, SolidWorks, benutzten einige 3D-Modelle von flyingarchitecture.com, Texturen von texturehaven.com, digitale Kopien bzw. Pressefotos von Werken der besprochenen Künstlern und renderten mit Redshift.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert